Encrochat-Daten: Verwertbarkeit in Strafverfahren bleibt leider rechtmäßig – BVerfG bestätigt BGH-Rechtsprechung
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem aktuellen Beschluss vom 1. November 2024 (Az. 2 BvR 684/22) entschieden, dass die Nutzung sogenannter Encrochat-Daten in deutschen Strafverfahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Damit stärkt das höchste deutsche Gericht die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein generelles Beweisverwertungsverbot für diese Daten nicht besteht. Die führenden Strafverteidiger bundesweit haben regelmäßig auf die rechtliche Problematik hinter der Datennutzung hingewiesen. Aus hiesiger Sicht hat das Thema Encrochat ein vorläufiges Ende mit der Entscheidung des BVerfG gefunden. Zuvor war bereits die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs ernüchternd.
Hintergrund: Encrochat und die strafrechtliche Verwertung
Encrochat, ein verschlüsselter Kommunikationsdienst, galt jahrelang als Werkzeug der organisierten Kriminalität. Im Frühjahr 2020 gelang es französischen und niederländischen Ermittlungsbehörden, den Dienst zu entschlüsseln und über 20 Millionen geheime Chat-Nachrichten abzufangen. Die Aktion führte zu zahlreichen Festnahmen in ganz Europa, vor allem im Zusammenhang mit Drogenhandel, und zur Sicherstellung von fast 900 Millionen Euro.
Die Daten wurden mit einer Überwachungssoftware gewonnen, die live auf die Kommunikation der Nutzer zugreifen konnte. Die genauen Details der eingesetzten Maßnahmen bleiben jedoch geheim, da sie in Frankreich als Staatsgeheimnis gelten.
Die Frage, ob diese Daten in deutschen Strafverfahren verwertet werden dürfen, ist seitdem stark umstritten. Der BGH entschied bereits im März 2022, dass kein generelles Beweisverwertungsverbot für Encrochat-Daten besteht (Az. 5 StR 457/21). Das BVerfG bestätigte nun diese Auffassung und stellte klar, dass eine Verletzung von Grundrechten in diesem Kontext nicht erkennbar sei.
Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts
Das BVerfG prüfte die Verfassungsbeschwerde eines Beschwerdeführers, der sich gegen die Verwertung der Daten wehrte. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde nicht substantiiert genug und daher unzulässig sei. Darüber hinaus betonte das Gericht:
Kein generelles Beweisverwertungsverbot: Selbst wenn Informationen rechtswidrig erlangt wurden, bedeutet dies nicht automatisch, dass ihre Verwertung unzulässig ist. Die Entscheidung hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, insbesondere von der Art und Schwere des Verstoßes.
Persönlichkeitsrechte gewahrt: Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG konnte das BVerfG nicht feststellen.
Verhältnismäßigkeit: Der BGH habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und keine verfassungsrechtlichen Grenzen unterschritten.
Das Gericht hob außerdem hervor, dass der Rechtsstaat auf effektive Strafverfolgung angewiesen sei, um Straftäter zur Rechenschaft zu ziehen. Dieses Argument sehen wir auch weiterhin kritisch, da sich der Staat bedenklichen Methoden bedient, um angebliche Straftaten aufzuklären. Encrochat ist der erste Schritt. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Umgang z.B. mit ANOM-Chats erfolgen wird.
Blick auf Europa
Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich im Frühjahr 2024 mit Encrochat befasst und grünes Licht für die Nutzung der Daten gegeben. Die Verwertbarkeit der Encrochat-Daten scheint somit sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene rechtlich gefestigt.
Für Mandanten, die sich gegen die Verwertung solcher Daten zur Wehr setzen möchten, ist eine präzise und differenzierte Verteidigungsstrategie unerlässlich. Gerichte prüfen die Umstände der Datenerhebung und -nutzung stets im Einzelfall. Insbesondere das Gewicht der Grundrechtsverletzung kann entscheidend sein.
Als erfahrener Strafverteidiger mit besonderer Expertise in komplexen Verfahren stehe ich Ihnen zur Seite, um Ihre Rechte zu schützen und eine individuelle Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Kontaktieren Sie mich für eine persönliche Beratung.